Die intensive Beschäftigung mit der Vieldeutigkeit eines ganz alltäglichen Begriffs stellte den Ausgangspunkt für das Ausstellungsprojekt „Fleisch“ dar, welches im Juni 2018 im Kulturschlachthof Jena umgesetzt wurde. Stößt man auf das Wörtchen „Fleisch“, so weckt dies zunächst vielleicht Gedanken an Schnitzel, Steak, Bratwurst und die kontroverse Diskussion über den moralischen und ökologischen Status des Fleischkonsums, die mit der zunehmenden Verbreitung von Vegetarismus/Veganismus entbrannt ist. Es wäre allerdings zu kurz gegriffen, würde man den Fleischbegriff einzig auf diese Ernährungsdimension einschränken. Die Rede von der Fleischeslust lässt beispielsweise schon zwei Lesarten zu. Gemeint sein kann entweder der Heißhunger auf Schlachterzeugnisse oder die Begierde nach dem Körper des Anderen. Hieran wird deutlich: Aus Fleisch bestehen nicht nur Kühe, Schweine und Hühner, sondern auch wir Menschen. Einen Körper haben heißt aus Fleisch zu sein.

Bei der Frage, welche Position in den verschiedenen Diskursen, in denen die Fleisch-Thematik verankert ist, eingenommen werden sollte, gehen die Meinungen und die eingespielten Praktiken verschiedener Gesellschaften und Kulturen allerdings schnell auseinander. Tiere schlachten und verzehren – Ja oder Nein? Was ist ein angemessener Umgang mit Nacktheit und Sexualität? Welche Rolle spielen die eigene Leiblichkeit und die damit einhergehende Verletzlichkeit bei diesen und anderen Fragestellungen? Weniger das Formulieren klarer Antworten als vielmehr das Herausstellen der Mehrdimensionalität des Fleischbegriffs war das Ziel unseres Projekts. Die verschiedenen Exponate, deren mediale Spannweite vom traditionellen Ölgemälde bis hin zur Soundinstallation reichte, sollten Bezüge zwischen den meist getrennt verhandelten Diskursen herstellen und so neue Perspektiven eröffnen. Im ergänzenden Rahmenprogramm, bestehend aus wissenschaftlichen Vorträgen, Theaterstücken und Filmvorführungen, wurden einzelne Aspekte aufgegriffen und vertieft behandelt, was seinerseits zu einer möglichst ganzheitlichen Beleuchtung des Themenkomplexes beitrug.